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Die Ampel zeigt Grün – für klimaschädlichen Luftverkehr

Politik verpasst Chance für Wandel – Gesundheit, Klima und Umwelt kommen in der neuen Koalition zu kurz, findet Martin Mosel (BUND).

Nach der starken Diskussion um Kurzstreckenflüge und deren Verlagerung auf die Schiene sowie der von der Luftverkehrswirtschaft und ihren Lobbyverbänden geschürten Illusion vom klimaneutralen Fliegen durch Ersatz-Kerosin aus Strom und Wasser ist der Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung eine große Enttäuschung für alle, die auf Verbesserungen im Kampf gegen die negativen Folgen des Luftverkehrs gehofft haben.

Nach zunächst positiv klingenden Ankündigungen bietet der Ampel-Vertrag wenig Aussicht auf Verbesserungen beim Gesundheits-, Lärm- und Klimaschutz im Luftverkehr. Mit der Deklaration der Luftverkehrswirtschaft zur „Schlüsselbranche“ ist es den Lobbyisten in Deutschland erneut gelungen, die klimaschädlichste Mobilitätsform Fliegen vor den regulatorischen Zugriffen zu schützen. Statt Subventionsabbau soll mit weiteren staatlichen Unterstützungen das Privileg des Luftverkehrs gesichert werden.

Luftverkehr: Klima, Umwelt, Lärmschutz weiter ignoriert

Die Koalitionäre wollen „die deutsche Luftverkehrswirtschaft und -industrie nachhaltig und leistungsfähig weiterentwickeln“, vorgeblich „bei Wahrung von fairen Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb“. Der Schutz von Gesundheit, Klima und Umwelt wird den wirtschaftlichen Interessen der Luftverkehrswirtschaft untergeordnet. Der Lärmschutz wird weiterhin ignoriert – trotz der seit Jahrzehnten von unabhängigen Expertengremien als dringlich eingeschätzten Maßnahmen, wie ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und die Schaffung von international empfohlenen Grenzwerten im Fluglärmschutzgesetz.

Im Bereich Luftreinhaltung sprechen die Koalitionäre diffus von „neuen Standards“. Konkrete Festlegungen auf die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktualisierten Richtwerte und Maßnahmenprogramme zu deren Erreichung fehlen komplett. Hamburg hat massive Probleme bei der Luftreinhaltung. Bei den als deutlich gefährlich eingestuften Stickoxiden,die in den Stadtteilen um die Flughäfen erhöht nachzuweisen sind und die zu einem ganz erheblichen Teil aus dem Flugverkehr stammen, soll an den unzureichenden Minderungsversuchen festgehalten werden. Zu den Empfehlungen zum nachgewiesen auch tödlichen Fein- und Ul­trafeinstaub findet sich kein Wort!

Verbot von Kurzstreckenflügen steht nicht zur Debatte

Die Infrastruktur soll im Interesse der Flughäfen und Airlines weiter optimiert werden. Ein konkretes Verbot von Kurzstreckenflügen, wie z. B. in Frankreich, sowie eine deutliche Verlagerung von relevanten Transportleistungen auf die Bahn stehen nicht zur Debatte. Auch Maßnahmen der Kostentransparenz sind nicht erkennbar. Es gibt keine wirklichen Anzeichen, die Klima- und Gesundheitskosten zulasten der kommenden Generationen der Luftverkehrswirtschaft heute aufzuerlegen.

Die für den gerechten Wettbewerb der Verkehrsträger erforderlichen Anpassungen bei Steuern und Abgaben werden verzögert oder vermieden. Und das, was trotzdem gezahlt wird, soll unmittelbar als Subvention in die Branche zurückfließen. Völlig auf der Strecke bleibt der Klimaschutz.

Kein Wort zu den erforderlichen Emissionsreduktionen durch Beschränkungen des Luftverkehrs, zu den im Luftverkehr dreifach wirksamen Treibhausgasen. Wachstum und Wettbewerb stehen wie eine Mauer davor. Die Ampel ergibt sich der Illusion von nachgewiesen völlig unzureichenden und zu langsam wirkenden Fördermaßnahmen für „alternative“ Treibstoffe und Antriebstechniken.

Der Widerstand muss verstärkt werden

Die Koalitionäre von SPD, Grünen und FDP wollen „Mehr Fortschritt wagen“ und den Weg aus der klima- und umweltpolitischen Lethargie einschlagen. Von Olaf Scholz, dem neuen „Klimakanzler“, heißt es kurz und knapp: „Die Ampel steht.“ Genau dort an der Ampel ist die Luftverkehrspolitik stehen geblieben!

Für die Betroffenen bedeutet dies: Der Widerstand gegen den Wachstumswahn im Luftverkehr muss verstärkt werden. Erfolge in der Verbesserung der Luftqualität, im Lärm- und im Klimaschutz sind nur zu erwarten, wenn der Druck der Zivilgesellschaft erhöht wird. Der BUND und die Vereine und Initiativen für Klima- und Fluglärmschutz in der Metropolregion Hamburg werden sich auch weiterhin als starkes Korrektiv einer fehlgeleiteten Luftverkehrspolitik engagieren!

Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt, zuerst erschienen am 09.12.2021.

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